Psychologie und denn?

41. Wie gründet man seine psychotherapeutische Praxis?

Sina Heger Season 2 Episode 41

Send us a text

In dieser Episode unseres Podcasts sprechen wir mit Stefan Krucker, einem ausgebildetem Psychologen und Gründer von Psychotext.ch, über die Praxisgründung im Bereich Psychologie. Stefan, der in verschiedenen Funktionen innerhalb der Psychologie und Kommunikation tätig ist, gibt Einblicke in die praktischen Aspekte und Überlegungen, die bei der Gründung einer eigenen Praxis wichtig sind.

Er behandelt Themen wie:

  • Gründe für die Praxisgründung: Vorteile der Selbstständigkeit und die Möglichkeit, den Beruf nach eigenen Vorstellungen auszuüben.
  • Herausforderungen: finanzielle Unsicherheiten und die Notwendigkeit kontinuierlicher Weiterbildung.
  • Vorbereitung auf die Gründung: Finanzielle Planung und notwendige rechtliche Schritte.
  • Unterschiede bei der Abrechnung: Vergleich zwischen der Abrechnung über die Grundversicherung und privat.
  • Praxisraum und Ausstattung: Tipps zur Raumfindung und notwendiger Ausstattung.
  • Finanzierungsmöglichkeiten: Strategien zur Deckung der anfänglichen Kosten.

Stefan bietet praktische Ratschläge, die auf seiner umfangreichen Erfahrung basieren, und hilft so angehenden Psychologen, sich besser auf die Gründung ihrer eigenen Praxis vorzubereiten.

Hilfreiche Links von Stefan: 

SVA: https://svazurich.ch/

Checklisten (alle): https://www.psychotext.ch/checklisten 

Bewilligungen: https://www.psychotext.ch/bewilligungen-psychotherapie

Praxisräume: https://www.psychotext.ch/praxisraum

Studien: https://www.psychotext.ch/studien

Schaut unbedingt auch bei Stefan vorbei: https://www.psychotext.ch/

Hat dir die Folge gefallen? Ich würde mich über eine 5-Sterne-Bewertung sehr freuen! :)

Webseite: https://www.psychologieunddenn.ch/
Whatsapp-Gruppe (offen für alle): https://chat.whatsapp.com/HKR1P6xilpKHpJPXU5lEDu

Möchtest du Werbung schalten? Kontaktiere mich am besten direkt über LinkedIn oder Instagram!

  • Wer bist du? 

Mein Name ist Stefan Krucker und ich habe schon vor einiger Zeit, nämlich 1999, das Psychologiestudium abgeschlossen. Danach habe ich in der Berufsberatung gearbeitet, später in der Selektion von zukünftigen Pflegefachpersonen und in der Kommunikation für eine Höhere Fachschule. Danach mehrere Jahre ein Team von Berufsberatenden geleitet, später Schritt für Schritt in den Fachjournalismus und die Unternehmenskommunikation umgestiegen. Dort arbeite ich auch heute noch zu 50%. Die übrigen 50% bin ich selbstständig erwerbend mit Psychotext.ch: Ich berate Psychologinnen bei der Praxisgründung und erstelle Websites für sie. Weil ich ursprünglich vom Text herkomme, habe ich mein Angebot vor 10 Jahren Psychotext getauft. Ich bin 56, lebe mit meiner Frau zusammen und habe zwei erwachsene Kinder. 

  • Warum sollte man eine eigene Praxis gründen? (Vor- und Nachteile) 

Die meisten, die die Ausbildung als Psychotherapeutin machen, haben das wohl schon vor, wenn sie damit beginnen. Sie haben sich also quasi mit diesem Beruf bereits für die Selbstständigkeit entschieden. Natürlich gibt es auch Stellen in psychiatrischen Kliniken, Tageskliniken oder Beratungsstellen. Aber die meisten zieht es in die Selbstständigkeit. Dort können sie ihren Beruf genauso ausführen, wie sie das möchten, haben keine Sitzungen, relativ wenig administrative Aufgaben, können sich so weiterentwickeln, wie sie das wollen. 

Die Kehrseite ist, dass man häufig alleine ist. Deshalb suchen die meisten Anschluss in einer Supervisions- oder Intervisionsgruppe oder nehmen Einzelsupervision in Anspruch. Laufende Weiterbildungen sind sowieso obligatorisch, wenn man bei einem Berufsverband ist. Und es gibt auch viele, die zusammen mit einer oder mehreren anderen Personen eine Gruppenpraxis gründen. So können Sie sich die Kosten für die Räumlichkeiten teilen und haben Austausch untereinander, gemeinsame Kaffeepausen oder so. 

  • Wie viele machen sich Selbstständig? Ist das der "normale" Weg eines Psychotherapeuten? 

Ja, genau. Neue Zahlen zum Anordnungsmodell zeigen, dass 80 bis 90% aller psychologischen Psychotherapeut:innen selbstständig abrechnen, und nur 10 bis 20% über eine Institution. Dazu kommen noch etwa 500 psychologische Psychotherapeut:innen, die nicht über die Grundversicherung abrechnen. 

  • Was muss man vor der Praxisgründung bedenken (z.B. das man am Anfang weniger verdient? Mehr Verpflichtungen...) 

Da muss man unterscheiden zwischen Therapeut:innen, die über die Grundversicherung abrechnen, und solchen, die das nicht tun können oder nicht wollen. Bei denjenigen, die über die Grundversicherung abrechnen, kann man davon ausgehen, dass ihre Praxis innerhalb kurzer Zeit ausgebucht ist. Es gibt eine sehr grosse Nachfrage, die die bestehenden Praxen nicht decken können. Das hat damit zu tun, dass durch das Anordnungsmodell eine Therapie bei einer psychologischen Psychotherapeutin erschwinglicher geworden ist, auch ohne Zusatzversicherung. 

Wenn man nicht über die Grundversicherung abrechnet, ist der Weg steiniger: Hier braucht es einen guten Plan, finanzielle Reserven oder eine Teilzeitanstellung, ein gutes Netzwerk, eine ansprechende Website, andere Werbemassnahmen und idealerweise auch ein Spezialgebiet, das gefragt ist und das nicht viele andere anbieten können. Beispiele sind z.B. ADHS-Abklärungen bei Erwachsenen, Gruppentherapien für Leute mit einer Asperger-Störung, Abklärungen bei Kindern und Jugendlichen usw. Ich habe auch schon mal von einer Psychologin gehört, die sich auf Liebeskummer spezialisiert hat. 

  • Wird man mehr arbeiten?  

Das kann ich nicht generell beantworten, da es von x Faktoren abhängig ist:  

Welches Einkommen muss/will jemand generieren? Wie hoch sind die Fixkosten, insbesondere die Raummiete? Wie ist die Nachfrage? Wie viel Aufwand braucht man, um genügend Kundinnen und Kunden zu gewinnen? Welchen Tarif kann man verlangen? 

Und auch hier wieder die Frage: Kann man über die Grundversicherung abrechnen? Wenn ja: Wie gut gelingt es einem, Personen abzusagen, wenn man eigentlich voll ist?  

  • V.a. Bei Frauen ist bei vielen Familiengründung noch ein Thema. Wie viel Zeit muss man sich einberechnen bis die Praxis ein sicheres Einkommen darstellt? 

Kommt wieder darauf an, ob Grundversicherung oder nicht. 

  • Hattest du schon Kundinnen, die mit Kleinkindern gegründet haben? Ist das möglich? 

Ja, ich denke, das ist möglich, weil man ja selbst gut steuern kann, wie viele Klient:innen man annimmt, an welchen Tagen man Termine anbietet usw. Kommt natürlich auch darauf an, was für einen Partner man hat 😊, wie viel der bei der Kinderbetreuung übernimmt, wie die Betreuung sonst geregelt ist (Kita) sowie der Haushalt. 

  • Welche Qualifikationen brauche ich, um eine eigene Praxis zu gründen? 

Kommt darauf an, was man genau anbieten will. Bis jetzt haben wir vorwiegend von den Psychotherapeut:innen gesprochen, sei es inner- oder ausserhalb der Grundversicherung. Es gibt aber natürlich auch Psycholog:innen, die eine Praxis für psychologische Beratung führen, die vor allem Supervisionen und Selbsterfahrung für zukünftige Therapeuten durchführen, die Laufbahnberatungen machen, Unternehmensberatungen, Coachings usw. Für all das braucht man natürlich die einschlägige Vorbildung und Erfahrung.  

Deine Frage läuft aber wohl auf etwas anderes hinaus, die überfachlichen Kompetenzen. Ich denke, man muss sich gut selbst organisieren können, und ein gewisses Mass an «Biss» haben, um nach aussen aufzutreten, zu sagen was man kann und will, durchzuhalten und die Zuversicht nicht zu verlieren, wenn etwas nicht so läuft wie man es erwartet.  

Das alles hat vielleicht auch mit Mut zu tun: Mut etwas zu machen, von dem man nicht weiss, wo genau es hinführt, wie erfolgreich man sein wird, wie gut man davon leben kann. Auch die Frage, was ist, wenn man zum Beispiel krank wird oder sonst einen Schicksalsschlag erlebt, stellt sich natürlich ganz anders, als wenn man angestellt, eingebettet und versichert ist. 

  • Kann und will ich über die Grundversicherung abrechnen? Was bedeutet das für den Tarif? 

Grundversicherung: Man ist, was die Nachfrage betrifft, auf der sicheren Seite. Der Tarif ist momentan provisorisch und liegt bei rund 155 Franken pro Stunde. Es laufen harte Verhandlungen zwischen den Berufsverbänden und Versicherungen. 

Wenn man direkt mit den Klient:innen abrechnet oder mit den Zusatzversicherungen, ist man in der Tarifgestaltung frei. Am Markt haben sich aber recht ähnliche Tarife durchgesetzt wie bei der Grundversicherung – jedenfalls wenn man die Vor- und Nachbearbeitung einbezieht, die man bei der Grundversicherung noch separat verrechnen kann.  

Der Unterschied im Einkommen dieser beiden Gruppen hat weniger mit dem Tarif und mehr mit der Nachfrage zu tun: Die hat man in der Grundversicherung automatisch, bei den Selbstzahlenden und Zusatzversicherten hingegen muss man dafür kämpfen. Man muss eine Aufbauzeit einberechnen. 

  • Wie sollte man sich auf die Praxisplanung vorbereiten (Businessplan, Rechtsform, Eintrag ins Handelsregister) und wie viel Zeit & Geld sollte man miteinberechnen?  

Beim Businessplan bin ich immer ein bisschen hin- und hergerissen: In der Regel wird empfohlen, einen solchen zu erstellen. Da gibt es verschiedene Vorlagen dafür, zum Teil sehr detaillierte. Gleichzeitig kommt es sehr auf die individuelle Situation an, ob dieser Aufwand nötig ist: Wenn es offensichtlich ist, was man machen will (zum Beispiel Psychotherapie im Rahmen der Grundversicherung) und was es dazu braucht (im Wesentlichen einen Raum, einen Computer und ein paar Versicherungen), kann man meiner Meinung nach auch darauf verzichten. 

Sicher wichtig ist es, die voraussichtlichen Ausgaben und geschätzten Einnahmen zu budgetieren und mit vorhandenen Geldquellen (Erspartes, Familie usw.) abzugleichen. Es kann auch Sinn machen, eine Selbstständigkeit parallel zu einer Teilzeitanstellung aufzubauen. 

Weitaus die meisten Psychotherapeut:innen sind selbstständig erwerbend. Das ist in der Schweiz sehr formlos möglich: Man beginnt mit der Arbeit und sobald man ein paar Kunden gehabt hat, meldet man sich bei der Ausgleichskasse an. Ein Eintrag im Handelsregister ist nicht nötig.  

Psychotherapie ist übrigens nicht mehrwertsteuerpflichtig, und Beratungen, Supervisionen usw. erst ab einem Umsatz von 100'000 Franken pro Jahr. 

  • Welche Schritte muss man machen, wenn man Selbstständig wird? ZB der SVA angeben, neue Versicherungen abschliessen? 

Zusätzlich zur Anmeldung bei der Ausgleichskasse sind gewisse Versicherungen obligatorisch resp. dringend empfohlen: 

  • Berufshaftpflichtversicherung  
  • Unfalldeckung bei der Grundversicherung einschliessen (falls nicht über einen Arbeitgeber vorhanden) 
  • Kranken- und Unfalltaggeldversicherung 

 

  • Was wird dem Einkommen alles abgezogen? Natürlich der Raum etc. Aber welche Versicherungskosten und Steuern kommen dazu? 

Das ist natürlich extrem unterschiedlich. Grundsätzlich wird vom Umsatz (dem was reinkommt) alles abgezogen, was der Ausübung dieser beruflichen Tätigkeit dient: Also Raum, Computer, Telefon, Verbandsmitgliedschaften, Software für die Rechnungsstellung, die erwähnten und allenfalls weitere Versicherungen usw.). Das ist dann das Einkommen, das man auch versteuern muss, genauso wie ein Lohn. 

Als Faustregel kann man vom Umsatz ganz grob die Hälfte abziehen, um zur Grössenordnung des verbleibenden Einkommens zu kommen. 

  • Wie viel kann ich generell verlangen pro Sitzung? Darf ich das selbst wählen oder ist das gesetzlich geregelt? 

Siehe oben 

  • Wie viel verdient man als Selbstständige vs. Angestellte? Wo verdient man im Schnitt wie viel? 

Der Lohn als Angestellter hängt natürlich von vielen Faktoren ab, etwa wie alt man ist, wo man wohnt, wer der Arbeitgeber ist usw. Berufseinsteiger:innen erhalten gemäss diversen Lohnrechnern im Internet so ca. 5000 bis 6000 pro Monat. Im Laufe des Arbeitslebens ist es üblich, dass der Lohn auf das 1,5-fache oder gar das Doppelte steigt. Der Mittelwert über alle Psychologenlöhne liegt bei rund 7000 bis 8000 pro Monat. 

Ob du als selbstständige Psychologin auf so einen Lohn kommst, hängt ebenfalls von vielen Faktoren ab, etwa wie hoch die Miete ist, wie gut deine Angebote gefragt sind, wie viele Gespräche du pro Tag machen kannst und willst.  

Die Psychologenverbände verhandeln mit den Versicherungen übrigens auch aufgrund von angenommenen Löhnen (und Kosten). Das heisst, sie versuchen solche Tarife zu erreichen, dass das Einkommen eines selbstständigen Psychologen für seine Ausbildung üblich, also mit einer Anstellung vergleichbar, ist. 

Lohnrechner SECO: https://entsendung.admin.ch/Lohnrechner/home 

  • Wo finde ich einen Raum? Welche Ausstattung sollte der haben? 

Es gibt verschiedene Plattformen, die dir die Suche erleichtern, insbesondere die Websites von Berufsverbänden, aber auch allgemeine Immobilienplattformen, bei denen man gezielt nach Praxisräumen suchen kann. Und es gibt Gruppenpraxen, die Praxiszimmer für bestimmte Tage vermieten, selten sogar stundenweise.  Wie bei den Wohnungen läuft hier natürlich vieles über private Kontakte. Und auch LinkedIn kann hier eine Hilfe sein, ich selbst teile zum Beispiel immer wieder freie Räume. Zudem habe ich eine Linksammlung erstellt: 

https://www.psychotext.ch/praxisraum 

Bei der Ausstattung kommt es natürlich auf deine Ansprüche an. Aber eine freundliche Ausstrahlung, Tageslicht, gemütliche Sessel, Schalldichtung gegen aussen sind die Basics. Und falls du nicht alles auf dem Compi erledigst an Admin, brauchst du einen abschliessbaren Aktensschrank. 

  • Was sollte ich mir bezüglich Lage bedenken? Sehe ich irgendwo wo es wie viele potentielle Kunden und schon vorhandene Therapeuten gibt? 

Ich habe in den letzten Jahren zwei Auswertungen zur geografischen Verteilung der Therapeuten gemacht. Besonders viele Therapeuten gibt es in den Kantonen Zürich, Basel-Stadt und Genf, besonders wenige in der Zentral- und Ostschweiz. Generell hat es auf dem Land wenige und in der Stadt viele. 

Kundinnen und Kunden gibt es wohl überall genügend im Moment. Aufgrund der immer noch wirkenden Stigmatisierung von psychischen Krankheiten gibt es sicher auch Patienten, die lieber in der Stadt in Therapie gehen statt auf dem Land. Aber Mental Health ist ja momentan in aller Munde, da wird sich hoffentlich in den nächsten Jahren noch vieles ändern. 

Eine Überlegung können auch noch die Fixkosten sein, die in der Stadt natürlich tendenziell höher sind als auf dem Land. 

https://www.psychotext.ch/studien/  

  • Welche Kosten kommen auf mich zu, wenn ich gründen möchte? Wie hoch sind sie? 

Die Raummiete ist sicher der grösste Betrag, hinzu kommen Kosten für Berufsverbände, Versicherungen, eine Abrechnungssoftware, eine Website.  

Einmalig benötigst du ein Budget für die Einrichtung des Praxisraums und einen Laptop. Wenn du so um die 10'000 Franken zur Verfügung hast, tönt das für mich vernünftig. 

Plus musst du natürlich einberechnen, dass du in den ersten Monaten wohl noch nicht so viel verdienst, dass du deinen Lebensunterhalt voll decken kannst. 

  • Wie kann ich mir das finanzieren? 

Das kommt natürlich auf deine individuelle Situation an. Wenn du – was typisch ist – vielleicht zuerst ein paar Jahre angestellt warst, konntest du vielleicht ein bisschen etwas zurücklegen. Oder du hast Familie oder Freunde, die dir ein Startkapital leihen. Denkbar ist auch – wenn du ein paar Jahre eingezahlt hast – das Herauslösen des Pensionskassengeldes. Von Bankfinanzierungen höre ich kaum. 

Oder – was ich viel höre – du steigst schrittweise von einer Anstellung in die Selbstständigkeit um.  

Im Kanton Zürich gibt es übrigens Unterstützungsangebot für Gründer:innen, die vorher arbeitslos waren. Da werden dir unter Umständen verschiedene Coaching bezahlt, ich habe auch schon solche durchgeführt. Suche nach «Fachstelle Selbstständigkeit Kanton Zürich», dann landest du hier: 

https://www.zh.ch/de/wirtschaft-arbeit/stellensuche-arbeitslosigkeit/beratung-vermittlung/beratung-zu-selbstaendigkeit.html  

  • Ist es risky seine eigene Praxis zu gründen? Oder hält sich das Risiko "dank" dem Therapeutenmangel in Grenzen? 

Mit Grundversicherungsanerkennung hält sich das Risiko meiner Meinung nach sehr in Grenzen, natürlich je nach Tarif und damit Einkommen, das man erzielen kann. Aber ein Total-Absturz ist in diesem Modell sehr unwahrscheinlich.  

Ohne Grundversicherungsanerkennung ist das Risiko höher, das ist dann mehr Gründen wie man es kennt: Es funktioniert mal mehr, mal weniger, es braucht Reserven oder eine Teilzeitanstellung, Durchhaltewillen, Kreativität. Dann natürlich überzeugende Arbeit, was nach und nach zu Empfehlungen führt, und die Fähigkeit, seine Arbeit zu erklären gegenüber der Öffentlichkeit (Website, soziale Medien, klassische Medienauskünfte, Fachbeiträge, Flyer usw.). 

  • Kann ich Teilzeit als Selbstständiger beginnen? Was sind dabei die Vor- und Nachteile? 

Genau: Wenn du eine Berufsausübungsbewilligung und die notwendigen Versicherungen hast, sowie einen Raum den du benutzen kannst, kannst du einfach loslegen! Einfach alle Ein- und Ausgaben notieren und die Belege sammeln, und die Differenz muss du in der Steuererklärung als Einkommen angeben. Und wenn du ein paar Kunden hattest, meldest du dich bei der AHV an. 

  • Gibt es Spezialisierungen (zB Paartherapie, Suchttherapie etc.) die es schwieriger oder einfacher haben?  

Die klassische Psychotherapie ist wohl am einfachsten: Hier ist die Finanzierung teilweise geregelt, die Leute kommen in der Regel nicht nur 2-3-mal, du brauchst also deutlich weniger Kundinnen und Kunden, als etwa bei einer Paartherapie, Laufbahnberatung, einem Coaching. Diese Formen dauern häufig nur wenige Sitzungen. Das ist übrigens auch mit ein Grund, weshalb Coachs selten voll von dieser Tätigkeit leben können: Sie sind zu schnell (resp. kümmern sich um die zu einfachen Probleme). 

Suchttherapie scheint mir etwas zu sein, das v.a. im Rahmen von Institutionen geschieht (stationär und ambulant), also nicht ein klassisches Feld für Selbstständigkeit. 

  • Gibt es Richtungen (Humanistisch, systemisch etc.) die es einfacher oder schwieriger haben? 

Die Psychoanalyse ist etwas aus der Mode geraten, scheint mir. Alle anderen Richtungen scheinen mir eine gute Nachfrage zu generieren. Für die Personen mit einem Leiden oder einem Problem ist aber sowieso die Person zentral, nicht so sehr ihr Ansatz. Und die Person wirkt etwa darüber, wie sie aussieht, wie sie sich ausdrückt, wie warmherzig und wie vertrauensweckend sie auftritt. 

Übrigens: Ich habe in den letzten zwei Jahren befragen machen lassen, wie die Durchschnittsbevölkerung eine Therapie oder Beratung sucht: Beide Male waren Empfehlungen von Ärzten oder Bekannten an erster Stelle, gefolgt von Google-Suchen. Empfehlungen und eine Website sind also weiterhin zentral. 

  • Gibt es bei den Spezialisierungen oder Richtungen einen geografischen Trend, wo man bessere Chancen hat? 

In Zürich gibt es viele psychoanalytische Institute, und an der Uni wurde sie auch noch relativ lange gelehrt. Von daher gibt es dort noch eine gewisse Verbreitung. 

Weitaus am meisten jungen Therapeuten haben als Basis die kognitive Verhaltenstherapie und ergänzen sie dann mit weiteren Ansätzen. Das hat auch damit zu tun, dass die Therapieausbildung in den letzten Jahren akademisiert wurden, es also Institute, die nicht von einer Uni geführt werden, zunehmend schwieriger haben. Aber es gibt schon erfolgreiche Beispiele, etwa im systemischen, integrativen und körperorientierten Bereich. 

Im Trend sind seit einigen Jahren insbesondere die Ego-State-Therapie, emotionsfokussierte Ansätze, körpertherapeutische Elemente, Traumatherapie, achtsamkeitsbasierte Ansätze usw. 

Zurück nach Zürich: Von dort höre ich ab und zu, dass es Psychologinnen gibt, die recht viele Expats haben, die also auch Therapien auf Englisch anbieten. Aber das Angebot ist relativ breit, relativ viele Therapeuten arbeiten auch auf Englisch. 

Besondere Sprachkenntnisse, also etwa serbisch, kroatisch, spanisch, portugiesisch, albanisch können hilfreich sein. Das sind die Sprachen, die die Bevölkerung nebst den Landessprachen und Englisch zu Hause am häufigsten spricht. 

  • Was muss man bzgl. Bürokratie alles bedenken? Ab wann kann man jemand im Admin einstellen? 

Am meisten gibt sicher die Führung des Dossiers, die Rechnungsstellung und die Kontrolle der Zahlungseingänge zu tun. Aber es gibt dafür mittlerweile gute Cloud-Lösungen, und Dienstleister, die einem viel abnehmen. Dass jemand für Admin eingestellt wird, ist selten. Auch viele Gruppenpraxen machen alles selbst.  

  • Wir haben über sehr vieles gesprochen, was man im Kopf behalten sollte: wie kann man sich organisieren? 

So wie man sich auch in einer Anstellung organisiert. Ich denke, so viel anders ist es nicht, weil als Psychologe in einer Anstellung hat man auch viel um die Ohren, und muss sich selbst organisieren.  

Betreffend Administration scheint mir eine gute Strategie zu sein, Regelmässigkeiten einzuführen: Immer gegen Abend die Dossiers nachgeführt, immer am Monatsende die Zahlungen verbucht usw.  

Und ob man Platz hat oder nicht, kann man gut in einer E-Mail-Signatur, auf der Website und auf der Combox den Anfragenden mitteilen, ohne dass man individuelle Antworten geben muss. 

  • Welche Aufgaben hat man als Selbständiger, die man zuvor als Angestellter nicht hatte? 

Damit umgehen, dass das Geld unregelmässig reinkommt, aber regelmässig rausgeht. Man muss den Arbeitsanfall stärker selbst steuern. Man muss sich Austausch mit anderen selbst organisieren. 

  • Welche Herausforderungen gibt es während der Gründung? 

Alle Abläufe einführen, herausfinden, wie man am liebsten arbeitet, wie viele Klienten man annehmen muss resp. kann. Mit Nachfrageschwankungen umgehen. Nicht in Panik verfallen, wenn ein Monat mal wenig läuft. 

  • Welche gibt es während der ersten Jahre nach der Gründung? 

Vielleicht: Mit Routine umgehen lernen. Selbst gesund bleiben. Gute Work-life-balance pflegen. Sich immer wieder weiterbilden. 

  • Wann klappt die Gründung nicht? 

Wer nicht über die Grundversicherung abrechnet und nicht initiativ ist bei der Bekanntmachung des Angebots, und/oder wer die Leute nicht wirklich für sich gewinnen kann – Stichwort Weiterempfehlungen –, hat es schwer. 

  • Was würdest du allen raten? 

Den eigenen Weg zu gehen, also nicht auf einen Ratschlag zu hören, der sich an alle richtet 😊. Nicht zu viel Respekt haben. Einmal mal versuchen, je nach Situation volle Pulle oder Teilzeit. Sich mit anderen austauschen. Sich beraten lassen – z.B. von Psychotext.ch 😊 

  • Mit welchen Anliegen kann man zu dir kommen? 

Mit allem was einem rund um die Selbstständigkeit beschäftigt. Ich bin nicht Jurist, nicht Treuhänder, nicht Versicherungsberater, nicht allwissend – aber ich bin Allrounder, und durch meine Erfahrung mit über 200 Therapeuten weiss ich, was usus ist, wie es andere machen usw. Man bekommt also Gewähr, dass man nichts Zentrales verpasst, und ein Gegenüber, mit dem man planen kann, Prioritäten setzen, vorwärts machen kann. 

  • Hast du noch hilfreiche Links, die du Teilen kannst? 

Da kommen mir meine Checklisten und Studien in den Sinn, die alle frei verfügbar sind: 

www.psychotext.ch/checklisten 

www.psychotext.ch/studien